Vorneweg: Vor allem wenn man auf schwerwiegendste Nebenwirkungen oder gängige Medikamente schaut, ist Chiropraktik als risikoarm und sicher zu bezeichnen.

Die Definition von “gefährlich” variiert je nach Kontext, kann jedoch allgemein als “potenziell schädlich oder lebensbedrohlich” beschrieben werden. In Bezug auf die Gesundheit kann “gefährlich” bedeuten, dass eine bestimmte Praxis oder Behandlung unerwünschte und möglicherweise schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen kann, wenn sie nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird. Es ist wichtig zu beachten, dass viele Dinge im Leben ein gewisses Risiko bergen und es wichtig ist, die möglichen Risiken und Vorteile abzuwägen, um die beste Entscheidung für die eigene Gesundheit zu treffen.

Die schwerwiegendste Gefahr, die mit Chiropraktik in Verbindung gebracht wird, ist der Schlaganfall, welcher durch eine Verletzung der intervertebral Arterie ausgelöst wird. Eine sogenannte „Vertebral Artery Dissection“ kurz VAD.

Es muss grundlegend zwischen schwerwiegenden und vorrübergehenden Nebenwirkungen unterschieden werden. Vorrübergehende Nebenwirkungen sind zum Beispiel Muskelkater ähnlicher Schmerz der häufiger von Patienten, insbesondere nach den ersten Sitzungen beschrieben wird. In diesem Artikel möchte ich mich nur der schwerwiegendsten Nebenwirkung widmen, da diese oftmals der Grund ist, weshalb Patienten Angst vor der Chiropraktik haben.

Die Verknüpfung zwischen Schlaganfall und Chiropraktik beziehungsweise genauer der Manipulation der Halswirbelsäule basiert auf der Beobachtung, dass eine im Canadian Medical Association Journal veröffentlichte Studie ergab, dass von den Patienten mit VAD fast alle innerhalb der Vorwoche einen Chiropraktor aufgesucht hatten (Klougart et al. 2009). Eine andere Studie, die im Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry veröffentlicht wurde, fand heraus, dass VADs häufiger bei Patienten auftraten, die in der vorangegangenen Woche einen Chiropraktor aufgesucht hatten, im Vergleich zu denen, die dies nicht getan hatten (Terrett et al. 2001).

Hier kommt nun ein entschiedener Punkt zum Tragen, denn diese Studien konnten nur einen Zusammenhang herstellen und keine Kausalität beweisen.

Dazu eine kurze Anekdote: Ein Patient eines Kollegens hatte einen Schlaganfall. Im Wartezimmer, vor der Behandlung. Hätte der Termin zwei Stunden früher stattgefunden und hätte der Kollege die Halswirbelsäule des Patienten angefasst, wäre die vermeidliche Beweislage klar.

Des Weiteren sind Symptome einer geschädigten Vertebral Arterie unter anderem Kopfschmerzen, Schwindel und Nackensteifigkeit. Allesamt Symptome mit denen man in den USA (wo diese Studien Ergebnisse herkommen) zum Chiropraktor geht.

Es ist also wahrscheinlich, dass Patienten, die bereits eine Schädigung der Vertebral Arterie haben, aufgrund von Schmerzen, einen Chiropraktor aufsuchen und dann in der darauffolgenden Zeit einen Schlaganfall erleiden. Genau zu diesem Ergebnis ist eine Fall-Kotroll-Studie aus dem Jahr 2015 gekommen. Sie fanden keinen signifikanten Zusammenhang zwischen chiropraktischer Behandlung und dem Risiko eines VAD-Schlaganfalls. Sie schließen daraus, dass Manipulation eine unwahrscheinliche Ursache für einen VAD-Schlaganfall ist. Der Zusammenhang zwischen dem Besuch beim Chiropraktor und einem VAD-Schlaganfall ist höchstwahrscheinlich auf die Entscheidung des Patienten zurückzuführen, sich wegen der Symptome (Kopf- und Nackenschmerzen) einer arteriellen Dissektion behandeln zu lassen. (Kosloff et al. 2015)

Darüber hinaus spricht gegen ein hohes Risiko, dass eine systematische Übersichtsarbeit, die 2014 im Spine Journal veröffentlicht wurde und 12 Fall-Kontroll-Studien umfasste, ergab, dass die Inzidenzrate von VAD nach Halswirbelsäulen Manipulation 1 von 5,85 Millionen Manipulationen betrug (Cassidy et al. 2014).

Schlussfolgernd muss man also sagen, dass die Gefahr beim Chiropraktor die schwerwiegende Nebenwirkung Schlaganfall zu erleiden, extrem gering ist.

Um dieses Risiko in Relation zu setzen, möchte ich den Vergleich zu entzündungshemmenden Medikamenten, sogenannten „NSAR“ oder „NSAIDs“ ziehen. Denn Medikamente, wie Ibuprofen, Diclofenac oder auch Aspirin werden häufig bei Rücken und Nackenschmerzen genommen.

Diverse Studien zeigen, dass alle NSAR schwerwiegende Komplikationen wie Blutungen des Magens, aber auch Durchbrüche der Magen- oder Darmwand und Darmverschlüsse auslösen können. Das Risiko wird hier je nach Medikament bei hoher Dosis (z.B. 1200mg Aspirin) von 2-8 zu 1000 bewertet.  (Bhala et al. 2013) (Martín Arias et al. 2019)

Wichtig für den Kontext hier ist, dass hohe Dosen, oftmals Standard bei Patienten sind, die an Rückenschmerzen leiden. 1200mg Aspirin sind weniger als 3 Kapseln Aspirin pro Tag.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Chiropraktik nicht nur mit einem Risiko der schwerwiegendsten Komplikation von 1 zu 5,85 Millionen sehr risikoarm ist. Dies gilt insbesondere wenn man den Maßstab, der an sichere Medikamente wie Aspirin oder Ibuprofen angelegt wird, als Referenz nimmt. Dann muss man Chiropraktik als ganz klar sicher einstufen.

Referenzen:

Klougart, N., Leboeuf-Yde, C., Rasmussen, LR., Manniche, C. (2009). “Stroke and chiropractic: a population-based case-control study.” CMAJ, 181(8-9), E157-E162

Terrett, AG., Nicholls, G., Burton, AK., Bonello, R. (2001). “Vertebral artery dissection and cervical manipulation.” J Neurol Neurosurg Psychiatry, 71(5), 710-715.

Cassidy, JD., Boyle, E., Côté, P., He, Y., Hogg-Johnson, S., Silver, FL., et al. (2014). “Risk of vertebrobasilar stroke and chiropractic care: results of a population-based case-control and case-crossover study.” Spine Journal, 14(2),S152-S160

Kosloff, T.M., Elton, D., Tao, J. et al. Chiropractic care and the risk of vertebrobasilar stroke: results of a case–control study in U.S. commercial and Medicare Advantage populations. Chiropr Man Therap 23, 19 (2015).

Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ). Aspirin Use in Adults: Cancer, All-Cause Mortality, and Harms: A Systematic Evidence Review for the U.S. Preventive Services Task Force. (Evidence Syntheses; No. 132). 2015.

Bhala N, Emberson J, Merhi A et al. Vascular and upper gastrointestinal effects of non-steroidal anti-inflammatory drugs: meta-analyses of individual participant data from randomised trials. Lancet 2013; 382(9894): 769-779.

Machado GC, Abdel-Shaheed C, Underwood M et al. Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) for musculoskeletal pain. BMJ 2021; 372: n104.

Martín Arias LH, Martín Gonzalez A, Sanz Fadrique R et al. Gastrointestinal safety of coxibs: systematic review and meta-analysis of observational studies on selective inhibitors of cyclo-oxygenase 2. Fundam Clin Pharmacol 2019; 33(2): 134-147.

Martín Arias LH, Martín Gonzalez A, Sanz Fadrique R et al. Cardiovascular Risk of Nonsteroidal Anti-inflammatory Drugs and Classical and Selective Cyclooxygenase-2 Inhibitors: A Meta-analysis of Observational Studies. J Clin Pharmacol 2019; 59(1): 55-73.

McGettigan P, Henry D. Cardiovascular risk with non-steroidal anti-inflammatory drugs: systematic review of population-based controlled observational studies. PLoS Med 2011; 8(9): e1001098.